Die Milchstraße - Mein Pilgerweg von Ferrol nach Santiago de Compostela (camino ingles)

Pilgrimage ist eine erfinderische Publikation* (2)

Es begab sich zur der Zeit als Theodemirus Bischof in Santiago de Compostela war, dass ein Mann aus Italien am 25. Juli, dem Fest des Heiligen Jakobus, nach langer Pilgerschaft bei ihm vorsprach.
Er teilte ihm reumütig mit, er habe so große Schuld auf sich geladen, dass sein Beichtvater in Italien es nicht wage, ihm die Absolution zu erteilen. Dieser habe ihm aufgetragen seine Untat auf Pergament zu schreiben und damit zum Grab des Apostels Paulus zu pilgern. Vielleicht könne er dort Vergebung seiner Sünden finden. Das Pergament habe er auf den Altar gelegt. Der Mann setzte gerade an seine Missetat zu beichten, da unterbrach ihn der Bischof, nahm das Pergament vom Altar, entrollte es und zeigte es dem Pilger.
Die Schrift war ausgelöscht.

Da sagte Bischof Theodemirus: "Wenn Gott dem Mann verziehen hat, wie dürfen wir Menschen noch von seiner Sünde reden?"

Die Kathedrale von Santiago de Compostela - Foto Heinrich Wagner

Eben dieser Bischof Theomirus legte den Grundstein für die Basilika im Jahr 813.
Der Leichnam des Heiligen Jakobus wurde am 25. Juli 816 - daher der Gedenktag - in der neuen Kirche feierlich beigesetzt.
Rund um die Kirche des Heiligen entwickelte sich Santiago de Compostela.
Die ältesten Darstellungen zeigen den Heiligen als Apostel und später als Pilger.
Mit Beginn der Reconquista, der Rückeroberung Spaniens von den arabischen Besatzern, wandelt sich das Bild: Jakobus - San Tiago - wird immer häufiger als "Santiago Matamoros", als "Maurentöter" und berittener Schlachtenhelfer dargestellt.
Ab dem 11. Jahrhundert wurde Santiago de Compostela zu einem der großen Wallfahrtszentren des Abendlandes.
Aus allen Ländern Europas pilgerten Menschen auf den unterschiedlichsten Wegen dorthin.
1128 wurde die heutige Kathedrale eingeweiht.
Im 18. Jahrhundert erhielt sie den barocken Mantel.

Der 25. Juli 2003

Wenn der Gedenktag auf einen Sonntag fällt, ist dieses Jahr ein Heiliges Jahr!
Die Pilger erhalten an diesem Tag vollkommenen Ablass aller Sündenstrafen. Dies gilt seit 1122.

In den Bars uns Restaurants des inneren Bezirkes werden die Plätze rarer. In den Andenkenläden wird es enger und vor dem Pilgerbüro bildet sich eine Menschenschlange.

“Wir sehen uns in Santiago am Festtag”, hatte mir der Pfarrer von Neda gesagt. Es war mir gelungen ihn zwischen der Heiligen Messe, unser “wir pilgern auf Jakobsweg” Anfangsgottesdienst, gehalten “muy rápidamente” , sozusagen Liturgie im Zeitraffer und der anstehenden Taufe. Zwischenzeitlich hatte er aus dem genannten Gottesdienst nach dem Schlußsegen davoneilend, eine weitere Messe in einer anderen Kirche zelebriert, im Pfarrhof, während er sich umzog, ein paar Sätze zusammengesetzt aus Vokabeln mehrerer Sprachen, auch Latein, mit mir gewechselt und unsere Pilgerpässe gestempelt.

2004 - im heiligen Jahr - sollte ich dazulernen, dass das, was ich im Jahr zuvor als Menschenschlange bezeichnet hatte, der Länge nach betrachtet, nur der Kopf dieser von 2003 gewesen war. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wir schlendern durch die Gassen, setzen uns in ein Straßencafe um “café con leche” zu trinken und beobachten eine Gruppe:
Vorneweg einer, dessen Körpersprache uns vermuten läßt, er könne Lehrer sein. Neben ihm einer, der im leiernden Tonfall, wir sind zu weit entfernt, um das Gesagte verstehen zu können, redet und mit den Händen Hinweise gibt. Die Menschen um die beiden herum drehen ihre Köpfe im Rhythmus seiner dirigierenden Handbwegungen.
Unsere These: eine Gruppe von Lehrinnen und Lehrern (aus Österreich?) mit einem Fremdenführer.
Also: bezahlt und näher heran, um unsere These zu verifizieren.
Kaum stehen wir nahe genug, um zu hören, dass man Deutsch spricht, werden wir vom Gruppenleiter entdeckt.
 “De g´hern ned zu ins” = “Die gehören nicht zu uns”, weist er den Stadtführer zurecht, der, da auch er uns gesehen hatte, uns begrüßen will.
Zwar enttarnt, aber wissend, dass wir mit unserer Einschätzung richtig liegen, tun wir so, als ob wir kein Deutsch verstünden, lächeln und gehen weiter.

Leider werde ich nie erfahren, ob der Autobus mit dem Welser Kennzeichen am Rande der Altstadt die Gruppe nach Santiago gebracht hatte.
Dem Dialekt nach könnte es passen. Ob der Reiseleiter wohl wirklich Lehrer ist?

In Fenstern und Vitrinen der zahlreichen Restaurants zur Schau gestellt, verführen Fisch und Meeresfrüchte und andere Köstlichkeiten der Küche Galiciens.
Die Jakobsmuschel, Viera, Symbol der Pilger, ist eine Spezialität ersten Ranges. Das gleiche gilt für den Pulpo á la Gallega, Tintenfisch in mannigfaltiger Zubereitung, Die Empanada Gallega, eine in Teig eingebackene Fisch-, Fleisch- oder Gemüsefüllung, lockt in vielen Schaufenstern von Bäckerein, die auch herrliche Süßspeisen anbieten.

An jeder Ecke laden hüsch herausgeputzte Mädchen zum Verkosten der Tarta Compostelana, eine Mandeltorte, ein. Sie vergessen nicht darauf in mehren Sprachen hinzuweisen, dass sie heute besonders frisch, besonders gut und beim Kauf von drei Torten besonders preiswert sei.
Die Weine der Region, vor allem der Ribeiro, ein junger und leichter Wein, der rot oder weiß ausgebaut wird, sowie Fefiñanes, Betanzos, Rosal, Valdeorras, Ulla, Amandi und andere munden ausgezeichnet. Egal ob in einer kleinen Bar, im Cafe oder Restaurant.

Die Kathedrale ist während der Pilgergottesdienste, die Termine werden dem Pilger beim Abholen der “Compostela” (Pilgerurkunde) bekanntgegeben, gerammelt voll. Leider herrscht ständiges Kommen und Gehen, wie im Wartesaal eines Bahnhofes. Aber das mag nur mir so vorgekommen sein.
Darüber an anderer Stelle mehr.

Als Höhepunkt des Festtages des Heiligen Jakob ist ein großes Spektakel auf der Praza do Obradoiro angekündigt.

Der Name dieses Platzes könnte sich  von "Obra de Oro" (Arbeit aus Gold) herleiten.
Die Tage zuvor schon klettern Männer in schwindelerregender Höhe auf der Fassade und dem Dach die Kathedrale herum, um Feuerwerkskörper und Illuminations- einrichtungen anzubringen. Eine dem Portal vorgesetzte Porta wird gezimmert, riesige Lautsprechertürme aufgebaut.
Am Abend des 25. Juli versammeln sich Tausende Menschen, Pilger aus aller Welt, Bewohner von Santiago, Studenten der Universität, auf der Praza do Obradoiro.
Auf dem Balkon des Palacio de Rajoy gegenüber der Kathedrale erscheinen nach und nach geladene Gäste - wir haben es nicht geschaft darunter zu sein - mit Sektkelchen in der Hand.
2004 standen dort auch der König und die Königin von Spanien. Aber auch das ist eine weitere andere Geschichte.
Auch die Balkone des einstigen Hospital Real, erbaut als Pilgerherberge, heute Parador de Turismo, füllen sich.
Es lohnt sich zeitgerecht, spätestens 20 Uhr - das Fest beginnt um 22 Uhr - dort einzufinden, um einen guten Platz zu sichern, mit freiem Blick auf die Fassade der Kathedrale. Gut ist es sich mit Trinken und Essen auszustatten. Die Wartezeit inmitten der vielen Menschen, mit denen man  neue Bekanntschaften schließen kann, ist kurzweilig.
Es ist dunkel geworden, Musik tönt aus den Lautsprechern, eine Stimme beginnt zu erzählen und auf der Fassade der Kathedrale leuchten erste Projektionen auf.
Das Fest zu beschreiben übersteigt meine Sprachgewandtheit. Ich müßte ein Hemingway sein, um die friedliche Ausgelassenheit, die Begeisterung und die Inszenierung darstellen zu können.

Deshalb lasse ich es; nur soviel:
Auch wenn Sie sicher sind schon Alles gesehen zu haben, sie werden nicht enttäuscht werden!

 

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